Ist die Ukraine schon demokratisch?

Wenn’s in den Kram der Oligarchen paßt: Ja. Sonst: naja, naja. Warum diese harsche Beurteilung? Schon am 23. März unterzeichnete Präsident Wolodimir Selenski das Gesetz über das Arbeitsrecht im Krieg. Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine schreiben die Gesetzgeber in Kiew das Narrativ, daß wer sich vom sowjetischen Erbe trennen wolle, auch eine andere Arbeitsgesetzgebung brauche. Das neue Gesetz berechtigt Arbeitgeber, Kollektivverträge gänzlich oder teilweise aufzuheben. In systemrelevanten Bereichen dürfen sie die wöchentliche Arbeitszeit außerdem von 40 auf 60 Stunden erhöhen. Das Gesetz mit der Nummer 5371, das die erste Lesung im Mai passiert hat und jetzt vom Präsidenten unterzeichnet wurde, geht noch weiter. Er betrifft 73 Prozent aller Beschäftigten in der Ukraine, nämlich alle, die in kleinen und mittleren Unternehmen arbeiten. Mit dem Gesetz 5371 können Kollektivverträge abgeschafft und durch individuelle Verträge ersetzt werden. Die Gewerkschaften werden mit Inkrafttreten dieses Gesetzes weiter an Bedeutung verlieren. Kapitalismus pur. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bricht mit dem Gesetz internationale Regeln und zerstört im Windschatten des Kriegsrechts kollektives Arbeitnehmerrecht auf Selbstorganisierung, obwohl ukrainische und europäische Gewerkschaften protestierten. Die Ukraine ist halt noch ziemlich weit weg von einem demokratischen Regime. Europäische Gewerkschafter forderten die EU-Kommission auf, etwas gegen die jüngst beschlossene Arbeitsmarktreform in der Ukraine zu unternehmen. In einem Brief an die EU-Kommission heißt es: Mit dem Gesetz 5371  befänden sich Beschäftigte in der Ukraine nun in einem Zweifrontenkrieg gegen „die russische Armee und gegen lokale Politiker und Oligarchen“. Internationale und europäische Gewerkschaften fordern die europäische Politik auf, gegen die jüngst ratifizierte Arbeitsmarktreform in der Ukraine zu intervenieren. Das sogenannte Gesetz 5371 stehe im Widerspruch zu europäischen und internationalen Regeln, heißt es in einem Brief des europäischen Gewerkschaftsdachverbands ETUC und des internationalen Verbands ITUC an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie Ratspräsident Charles Michel. Die Reform in der Ukraine sorgt schon länger für Streit, es geht um die Rolle der Gewerkschaften in dem Land: Die EU wie auch die internationale Arbeitsorganisation ILO setzen dabei klassischerweise auf kollektive Arbeitnehmerrechte. Beschäftigte sollen sich etwa in Gewerkschaften organisieren können, um mit Arbeitgebern beispielsweise Tarifverträge auszuhandeln. Im Oktober, so hat Olaf Scholz, noch amtierende Büroklammer in Deutschland, mitgeteilt, werde eine internationale Konferenz über die Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine stattfinden. Vor freudiger Erregung über die Vermehrung ihres geraubten Volksvermögens sollen manche Oligarchen fast einen Herzinfarkt bekommen und neue Konten bei Banken in den allseits bekannten Ländern eingerichtet haben. Das sind, Herr Scholz, nicht unsere Oligarchen! Merke: Unsere sitzen an hiesigen Gashähnen. Frag doch mal den Habeck – nicht die Maus.

Muß man manchmal an vergangene Zeiten erinnern?

Ja. Muß man. Der Zwerg stammt ja noch aus dem letzten Jahrtausend. Und hat zuweilen ein gutes Gedächtnis. Das werden Sie jetzt lesen. Im November 1932 kam es zu einem Höhepunkt von diversen Arbeitskämpfen auch bei der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVB) zu einem großen Streik, der sich gegen eine Lohnkürzung, die zwischen der BVG und dem „Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs“ ausgehandelt worden war, richtete. Anfangs hatte das Unternehmen eine Senkung von 14 bis 23 Pfenning die Stunde gefordert (der durchschnittliche Stundenlohn im Deutschen Reich betrug etwa 90 Pfennig). Der „sozialdemokratisch orientierten“ Gewerkschaft gelang es, die Kürzung auf 2 Pfennig pro Stunde abzusenken. Gleichwohl führte dies zu heftigen Protesten der KPD und der von ihr abhängigen Revolutionären Gewerkschafts-Opposition. Der Streik, und das war das Besondere, war eine gemeinsame Aktion der Kommunisten und der Nazis. Ganz Rechts und ganz Links waren sich aus unterschiedlichen Gründen in einem Punkt einig: sie wollten die sog. Weimarer Republik zerstören. Ernst „Teddy“ Thälmann rief bei einer großen Kundgebung zum Streik, daß der Straßenbahner mit einem Fuß im Grabe stehe. Der Zwerg kann ja jetzt zugeben, daß er nach dieser Äußerung den Zwischenruf „und mit dem anderen Fuß klingelt er“ machte (was Teddy ganz schön ärgerte). Warum wird hier auf diese Reminiszenz verwiesen? Weil wir jetzt wieder erleben, daß die Rechte mit der Kommune mauschelt (oder umgekehrt) und beide zusammen gegen die gewählte Regierung vorgehen. Der sog. Ostbeauftragte der Partei „Die Linke“ Sören Pellmann, Bundestagsabgeordneter aus Leipzig, geboren 1977 und ziemlich vergeßlich, ruft zu Montags-Demonstrationen gegen die geplante Gasumlage auf. Zur Erinnerung: die „Schande für Deutschland“, sie nennt sich AfD und ist bedauerlicherweise im Bundestags vertreten, ruft ebenfalls zu Montags-Demonstrationen auf. Der „Auftakt der Demos gegen die Energiepreispolitik der Bundesregierung“ sei deshalb für Montag, den 5. September um 19 Uhr in Leipzig geplant. Die Gasumlage sei ein „Schlag gegen den Osten“ und „der schärfste soziale Einschnitt für die Bürger seit den Hartz-IV-Reformen der 2000er Jahre“: „Die Menschen sollten sich wehren. Wir brauchen neue Montagsdemos im Osten wie damals gegen Hartz IV.“ Bodo Ramelow, gleichfalls bei den LINKEN, vor seiner Zeit als Ministerpräsident Gewerkschaftsfunktionär (HBV), meinte zum Aufruf von Pellmann, „bei sozialen Protesten“ müsse man „bitte aber die Abstandsregel zu rechtsradikalen Organisatoren“ beachten. Wenn Pellmanns Vater, ein Historiker, wüßte, wie geschichtsvergessen sein Sohn ist, würde er er sich, wie man so sagt, im Grabe umdrehen.

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„Moin. Ich muß gleich wieder weg.“ Der Chef. „Ich habe einige wütende Mails bekommen. Wegen des Holzheizkraftwerks. In den Mails werde ich übelst beschimpft, weil ich das Heizwerk genehmigt habe. Sie hier wissen, daß das nicht stimmt. Ich war und bin weiterhin gegen diese Klimaverpestung. Ich bin wirklich sehr verärgert. Es ist nicht richtig, daß das Holzheizkraftwerk klimaneutral ist. Es gibt keinen chemischen Unterschied zum Öl, Kohle oder Gas. Das Werk wird Tonnen pro Jahr von Kohlendioxid freisetzen. In diesem Zusammenhang kann niemand von Klimafreundlichkeit sprechen. Sie kennen ja auch die Vorgeschichte, wie der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion das Projekt durchgeboxt hat. Natürlich alles im Rahmen der Gesetze. Tausende Tonnen Holzschnitzel, die dort künftig verfeuert werden sollen, müßten über den See- und Landweg nach Cuxhaven transportiert werden. Holz speichert CO Zwei nur dann, wenn es nicht verbrannt wirde. Man kann aus Holzschnitzel und Totholz, wenn man wollte, auch Spanplatten herstellen und so das CO Zwei dauerhaft binden. Auf der Website der Firma steht, daß das Holz möglichst aus der Region kommen soll. Die Betonung liegt vermutlich auf möglichst. Die Geschichte kann man doch nicht einmal kleinen Kindern erzählen. Das Kraftwerk soll pro Jahr bis zu 100.000 Tausend Tonnen Frisch- und Restholz aus der Industrie verbrennen. Wir sind hier in einer waldarmen Gegend und Holz muß zum Verfeuern extra hierher gebracht werden. Allein diese Transporte sind klimaschädlich. Hunderttausend Tonnen zu transportieren, bedeuten rund fünftausend Lastwagentransporte, jede Woche rund hundert LKWs. Gut, die fahren Gottseidank nicht durch die Stadt. Und wissen Sie, der Pelletspreis ist in Deutschland innerhalb von zwölf Monaten um über hundertzwanzig Prozent gestiegen. Eine Lieferung von sechsundzwanzig Tonnen kostete im Juli fast fünfhundert Euro je Tonne. Dreizehntausend Euro kostet das Holz für nur einen LKW. Das ist nicht das Ende. Ich sehe, ich darf ja nicht sagen, ich hoffe, daß das Kraftwerk ein Flop wird. Wegen der Umwelt. Aber trotzdem. Ich sehe schon, daß die CDU und die Schweizer Betreiberfirma des Kraftwerks fordern werden, den Wernerwald abzuholzen. Und die städtischen Einrichtungen an dieses Heizkraftwerk anzuschließen. Noch steht das Sahlenburger Revier unter Naturschutz. Aber das würden die ändern. Manchen Leuten traue ich alles Schlechte zu. Die würden doch glatt auf den ursprünglichen Zweck, Schutz gegen Sturmfluten, verzichten. So würde deren Marktwirtschaft funktionieren. Wohnen ja nicht hier. Und jetzt im Wahlkampf redet der Spitzenkandidat der CDU von Klimaschutz. Dieses verlogene Pack. Und ich werde beschimpft. Politik und Arbeit für die Gemeinde ist zuweilen doch ein schmutziges Geschäft. Na ja, ich muß weg. Ich wünsche Ihnen mehr Spaß als ich ihn habe mit den Bürgern.“

Ist der irre geworden?

Die Antwort muß leider unterbleiben, weil der Zwerg nicht weiß, ob ein JA von der presserechtlichen Meinungsfreheit gedeckt ist. Deshalb und deswegen überläßt er dem geneigten Leser die Antwort. Worum geht’s? Der Fraktionsvorsitzende der FDP, das ist die Lindner-Partei (bei der dem Zwerg immer schlecht wird, in Baden-Württemberg hat angeregt, zu prüfen, ob man im, ich wiederhole IM, Bodensee Fracking für die Gasgewinnung aus Schiefergestein machen könnte. Der Mann heißt Hans-Ulrich Rülke. Dazu paßt, ein ganz anderes Thema, daß in etwa 20 Bundesstaaten der USA die Schüler von ihren Lehrern verprügelt werden dürfen. Es ist mir nicht bekannt, ob Herr Rülke aus Pforzheim während seiner Schulzeit als Austauschschüler in den den USA war und dort in einem der Bundesstaaten beschult wurde, in denen die Prügelstrafe erlaubt ist. Einiges spricht dafür, denn „leichte Schläge auf den Hinterkopf“, so hieß es früher fälschlich, würden das Denkvermögen erhöhen. Das Gegenteil ist der Fall.

Erinnert mich das an die 1930er-Jahre?

Ja. Aus Rußland wandert die wissenschaftlich gebildete Intelligenz ab. Nach Westeuropa. Das scheint mir verständlich, denn in den Lehranstalten wird immer stärker der Lehrstoff den imperialistischen Zielen des russischen Diktators angepaßt. Nicht nur in den Geisteswissenschaften, sondern auch in den naturwissenschaftlichen Fächern. Deshalb erinnert mich das an die stalinistischen Jahre in den 30er-Jahren. Es gibt einen Unterschied: West-Europa und die USA heißen die klugen und gebildeten Menschen aus Putin-Land willkommen – das war wegen der damals in Westeuropa herrschenden Diktatoren (nicht nur Deutschland war ein faschistisches Land) nicht möglich. Wegen des Überfalls auf die Ukraine haben große Wissenschaftsverlage wie Reed Elsevier und Springer Nature sämtliche Beziehungen zur Diktatur abgebrochen; die russischen Wissenschaftler werden auch durch andere Maßnahmen  (u.a. keine Teilnahme an Tagungen, Zugriff auf Bibliotheken) von der Weiterentwicklung der Wissenschaft abgeschnitten. Das wird sich erst in ein paar Jahren bemerkbar machen, aber es wird sich weisen. Prada, Gucci und McDonald werden nicht die einzigen Dinge sein, die fehlen. Ich möchte hier an die traurige Geschichte der russischen Biologie erinnern. Da gab es den Biologen Nikolai I. Wawilow, der u.a. die Theorie von den geographischen Genzentren der Kulturpflanzen begründete und Direktor des Instituts für Genetik der Akademie der Wissenschaften war. Er starb am 26. Januar 1943 im Alter von 55 Jahren im Gefängnis von Saratow, wahrscheinlich an Unterernährung. Seine wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden jedoch von Trofim D. Lyssenko bekämpft, der die völlig irre Auffassung vertrat, daß nicht Gene die Pflanze, sondern die Umwelt das Wachstum einer Pflanze verursachte und dies vererbt wird. Lyssenko konnte von diesem Quatsch Stalin überzeugen, der entsprechende landwirtschaftliche Maßnahmen anordnete. Die durch Lyssenko verursachten Fehlentwicklungen führten zu Hungersnöten. So ist es, wenn ein Land von wissenschaftlicher Erkenntnissen abgenabelt wird. Und so wird Rußland unter Putin und seinen Anhängern schließlich enden. Ganz weit unten. Ost-Kongo wird die Meßlatte sein. Und wenn es noch nicht schlecht ist, dann ist es noch nicht zu Ende.

Soll Bayern den Mexikanern nacheifern?

Ja, natürlich. Warum auch nicht? In Mexiko ist jetzt ein Gesetz erlassen worden, daß verhindern soll, das sogenannte kulturelle Erbe der indigenen Bevölkerung zu kopieren oder zu imitieren. Unter indigener Bevölkerung sind Mayas, Azteken und Tolteken zu verstehen. Herr Aiwanger, der für viele bayerische Gewißheiten zuständig ist, will jetzt im Bayerischen Landtag ein Gesetz einbringen, das sicherstellt, daß das Dirndl nur von jungen Frauen niederen Standes und insbesondere von aktiven Dienstboten weiblichen Geschlechts in Haus und Landwirtschaft getragen werden dürfen. Natürlich weiß auch Aiwanger, daß das Dirndlgewand erst um 1900 erfunden wurde. Nicht von Niederbayern, sondern von den Brüdern Wallach aus Bielefeld (das ist ein Existenzbeweis!), die 1890 in München ein Volkskundehaus gründeten. Zum 100-jährigen Jubiläum des Oktoberfests statteten die Brüder den Landestrachtenzug aus. Damit begann die Karriere der Arbeitskleidung. Das ist so wie das Arschleder der Bergarbeiter, das auch zum Kulturgut erhoben wird oder der graue Kittel der Schriftsetzer oder – bekannter als der Schriftsetzerkittel – der Schottenrock (Kilt genannt), der angeblich 1725 vom englischen Fabrikbesitzer Thomas Rawlinson für Hochofenarbeiter erfunden wurde. Zurück zu Bayern. Aiwanger will in das Bayerische Kulturgutgesetz reinschreiben, daß Menschen, die nicht aus Bayern stammen, also beispielsweise Allgäuer und Hamburger, weder im Dirndl noch mit Lederhose in Bayern den Maßkrug stemmen dürfen. Auch müssen die Dirnen den Zungenbrecher „Oachkatzlschwoaf“ ohne Verlust der Zahnspange (Ältere ohne Gebißverlust) sprechen können. Markus Söder ist gegen dieses Gesetz (das sei ja nur dem Wahlkampf gedankt), weil er als Nürnberger dann in Sack und Asche gehen muß und nicht im Jankerl. Der Zwerg ist gespannt, ob sich Aiwanger oder Söder durchsetzen wird. Er wird auf jeden Fall nicht im Dirndl auftreten, obwohl er sich demnächst als Zwergin beim Standesamt registrieren lassen wird.

Ist es auf Mallorca viel heißer als in Cuxhaven?

Ja, vermutlich. Warum ist das wichtig, welche Temperaturen im 17. Bundesland herrschen. Da hat doch weder Scholz noch Lindner (der vielleicht eher) nichts zu sagen. Also, worum geht’s? Um Pferde. In Palma auf Mallorca können sich Touristen in Pferdekutschen durch die Gegend fahren lassen. So wie in Swinemünde oder in Wien oder in Venedig. Jetzt hat die Stadtregierung entschieden, daß die Kutschfahrten verboten sind, wenn die Hitzewarnung ausgerufen wird. Das ist immer dann, wenn 36 Grad erreicht oder überschritten werden. Diese Grenze entspricht der Warnstufe Gelb des spanischen Wetterdiensts Aemet. Bei einem Verstoß drohen Bußgelder. Nun, was hat das mit Cuxhaven zu tun? Ist doch keine Insel. Ja schon, aber zu einer vor der Stadt liegenden Insel werden bei Ebbe in der Sommersaison auch Kutschfahrten organisiert. Jeweils zwei Pferde ziehen die etwa 20 hochrädigen Wattwagen mit jeweils neun Touristen und einem Kutscher durch das trockengefallene Watt (abgesehen von den Prielen, was mit Wasser gefüllte Gräben meint). 60 Euro pro Passagier, ist also kein so schlechtes Geschäft, aber nur im Sommer. Nach der Saison, so wird den Touristen immer verschwiegen, kommen die Pferde in die Büchse. Darum geht es hier nicht. Hier geht es darum, daß die Stadtverwaltung darüber denken müßte, was sie denn macht, wenn – wie geschehen, die Temperatur 36 Grad erreicht. Kutschfahrten weiter zulassen und Pferde quälen oder malloquinische Regeln? Vermutlich würden die Wattwagenbetreiber darauf verweisen, daß an der Nordsee erstens immer ein kühler Wind weht und zweitens die Pferde ja zwischendurch durch die Priele müßten und dadurch abgekühlt werden.

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„Moin. Ich muß heute mal ein Thema ansprechen, das mir wirklich auf der Seele brennt, wie es so schön heißt. Ich will mit Ihnen darüber sprechen, wie wir die Cuxhavener Tafel besser unterstützen können. Ich war kürzlich bei den Organisatoren der Cuxhavener Tafel. Denen fehlt es an Geld und an Helfern. Wobei, wenn ich es richtig verstanden habe, Geld fast das kleinere Übel ist. Unsere Tafel ist aus kleinen Anfängen, ich muß leider sagen, zu einem richtigen Unternehmen geworden. Und sie funktioniert. Ohne die Tafel hätten wir mehr Armut auf der Straße. Ist es nicht schlimm, daß man eine organisierte Armenspeisung loben muß? Das ist ja wie im Mittelalter, als reiche Bürger Siechenhäuser gründeten und Armenspeisungen veranlaßten, weil sie glaubten, dann ins Himmelreich zu kommen. Den Zahn hat ihnen ja Luther gezogen. Sie wissen, die Geschichte vom Nadelöhr und dem Kamel. Doris und ich haben für uns entschieden, einen Tag im Monat bei der Tafel mitzuhelfen. Bitte, ich möchte nicht, daß das bekannt wird. Weil dann die Leute von der bestimmten Partei, Sie wissen schon welche Partei ich meine, dies sofort als Wahlkampf-Manöver verunglimpfen würden. Und das ist es nicht. Warum erzähle ich das hier? Weil ich Sie ermuntern will, auch einen Tag im Monat bei der Tafel zu helfen. Sie geben mir Bescheid, und wenn Sie es dienstlich einrichten können, erteile ich Ihnen Urlaub von der Arbeit hier im Haus. Wer da mitmachen will, soll es mir sagen und ich regele mit der Tafel, wie wir das am besten organisieren. Das müssen die Tafel-Leute klären. Da will ich mich nicht reinhängen. Die können das besser als wir hier in der Verwaltung. Na gut. Ich muß weg. Viel Spaß bei der Arbeit am Bürger. Moin.“

Lieben Sie Fernsehwerbung?

 

Nein! Nein. Nein. Nein! Der Zwerg hat im Zusammenhang mit den ganz tollen Europameisterschaften der Leichtathletik in München und Rom diese Wettkämpfe im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gesehen. Und war beeindruckt von den Erfolgen der deutschen Sportler. Hat er vorher überhaupt nicht auf dem Schirm gehabt. Sein Fernsehkonsum stieg sicherlich auf mehr als acht Stunden am Tag. Was ihm vorher gar nicht so auffiel, weil die ältere Dame vor 20.00 Uhr immer die Sendungen des fast werbefreien Norddeutschen Rundfunk (NDR 3) sieht, ist die ungeheure Dauer von Werbung in ARD und ZDF. Er hat ja gar nicht gewußt, was es alles für Medikamente gegen Darmbeschwerden gibt oder als Einschlafhilfe oder welche Matratzen die richtige Seite haben. Ohne diese Werbung müßten vermutlich die Gehälter der Intendanten und der anderen Fernsehgewaltigen deutlich niedriger sein – vermutlich würden die Bezüge ohne Werbeeinnahmen nicht die Gehälter der Ministerpräsidenten übersteigen, sondern nur das Niveau von Sparkassendirektoren erreichen (deren Gehälter sind auch höher als die ihres Landrats oder des Oberbürgermeisters ihres Gewährträgers). Da er bei ERTL nur die Nachrichten sieht/hört und Sat, geschweige denn BILD-TV und andere Unterschichten-Sender nur dem Namen nach kennt, weiß er nicht, wieviel und was für Werbung dort in den Film-Unterbrechungen und insgesamt läuft. Der Zwerg vermutet, daß viele Zuschauer die Werbesendungen bei ARD und ZDF als Hilfe für die Bewältigung des normalen Lebens benötigen. Achten Sie einmal drauf: Da laufen manchmal richtige Kampagnen: plötzlich wird nur gegen Blasenschwäche geworben, dann nur oder gegen Rückenschmerzen, dann für Urlaub usw. Werbung im Fernsehen ist wie Werbeblätter der Discounter. Sicherlich. Ehrlicherweise wird dem Zwerg inzwischen ganz flau im Magen, wenn er die im sächsischen Dialekt verkündete Werbung für dieses Müsli hört und auf das gefärbte Wasser Null Punkt Null (wo bleibt der Spaß beim Alkohol?)

Glauben Sie an gute Lösungen?

Nein. Natürlich nicht. Schon gar nicht, wenn Sozialdemokraten und FDP entscheiden. Lassen Sie mich an ein Beispiel aus der Vergangenheit erinnern. Irgendwann beschloß die SPD-geführte Bundesregerung, das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre heraufzusetzen. Die Begründung lautete, sonst sei die Altersrente nicht finanzierbar. Franz Müntefering, damals Arbeitsminister, meinte, wenn man das Renteneintrittsalter nicht heraufsetze, müßte man die Rente kürzen und man müßte eben auf der Straße Balalaika spielen. Müntefering hat natürlich dabei an die gedacht, die gemeinhin als „schwer arbeitende Bevölkerung“ bezeichnet wird: Beamte aller Dienstgrade, höhere Offiziere in der Bundeswehr, Bundestagsabgeordnete (denken Sie nur an Herrn Schäuble, der seit über 50 Jahren im Bundestag schwerst schuften muß), Angestellte im Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz und an ähnliche Leute dachte er vermutlich. Nicht an den Fließbandarbeiter beim Daimler, an den Bauarbeiter unter und auf‘m Dach, an die Pflegekräfte und Verkäuferinnen, oder an die Leute von der Postzustellung und der Müllabfuhr. Absolut phantasielose Entscheidung von „Münte“ und seinem Chef. Der Zwerg will hier keine Vorschläge machen. Fragen will er doch „aufwerfen“: warum nicht das Schweizer Modell (keine Beitragsbemessungsgrenze, aber limitierte Altersrente) oder warum nicht Einbeziehung aller Bürger (weg mit den Beamten- und Abgeordneten-Privilegien) oder weitere Flexibilität des Renteneintrittsalters (gerne auch pauschaliert und unterschieden zwischen „Arbeitern“ und „blue collar“. Jetzt will der Zwerg aktuell werden. Übergewinne gibt es nicht. Punktum. Sagt die FDP, und dann muß es ja richtig sein. Also mit solchen Geldern kann man die Rente nicht (teil-)finanzieren. Aber wie wär’s denn mit der Überlegung, die Gewinne, die der Staat (das sind wir) mit den Rettungsgeldern für Uniper und Lufthansa und Commerzbank usw. macht, in den im Koalitionsvertrag geschriebenen Deckungsstock für die Rente einzuzahlen. Da könnten auch die 2,3 Milliarden Euro rein, die für die Bankenrettung ausgeschüttet wurden. Dann kommt es doch dem Volk zugute. Übrigens: Seit Müntefering hat sich nicht viel geändert! Ist es nicht peinlich, wenn der zuständige EU-Kommissar dem deutschen Finanzminister aufzeigen muß, welche Möglichkeiten EU-konform bestünden, die Belastung der Bürger durch die Uniper-Umlage zu reduzieren? Jawoll. Ist es. So ist Marktwirtschaft. Phantasielosigkeit siegt.